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Chefredakeur Georg Karp: Willkommen im neuen eurocity!

Ein Glücksfall für die Literatur. Ein Glücksfall für die Türkei. Ein Glücksfall für Europa.


Der Mann auf dem neuen eurocity-Cover (1/07) ist Türke, von Beruf Schriftsteller. Letzten November erhielt er den Nobelpreis für Literatur. Dabei wollte Orhan Pamuk, 54, Sohn einer wohlhabenden Familie, Maler werden, aber es kam anders.

Mit 22 beschloss er, Schriftsteller zu werden, schloss sich vier Jahre lang ein und schrieb seinen ersten Roman „Cevdet Bey und seine Söhne“ fertig. Nach drei Jahren in New York, wo er die Columbia University besucht hat, kam er zurück an den Bosporus und schrieb sich zum erfolgreichsten Prosaschriftsteller der Türkei hoch.

Für seine Romane „Die weiße Festung“, „Rot ist mein Name“ und „Schnee“ wurde er mehrfach ausgezeichnet – u.a. 1990 mit dem „Independent Award for Foreign Fiction“, 1991 mit dem „Prix de la découverte européenne“, 2003 mit dem „Impac Dublin Award“ und 2005 mit dem „Friedenspreis des Deutschen Buchhandels“.

Bei der Verleihung des Friedenspreises wurde gewürdigt, dass Pamuk „wie kein anderer Dichter unserer Zeit den historischen Spuren des Westens im Osten und des Ostens im Westen nachgeht, einem Begriff von Kultur verpflichtet, der ganz auf Wissen und Respekt vor dem anderen gründet.“ Pamuk habe ein Werk geschaffen, „in dem Europa und die muslimische Türkei zusammenfinden.“

Den Literatur-Nobelpreis erhielt der „Umberto Eco der Türkei“, weil er „auf der Suche nach der melancholischen Seele seiner Heimatstadt neue Sinnbilder für Streit und Verflechtung von Kulturen gefunden hat.“

Für Orhan Pamuk ist Istanbul das Zentrum der Welt, „weil ich seit 33 Jahren die Straßen, die Brücken, die Menschen, die Hunde, die Moscheen, die Brunnen, die seltsamen Helden, die Läden, die bekannten Persönlichkeiten, die wunden Punkte, die Tage und Nächte dieser Stadt beschreibe und mich stets mit alledem identifiziere.“

Der Schmelztiegel am Bosporus ist zu seiner Inspirationsquelle geworden: „Solange ich in einer Stadt wie Istanbul lebe, so lange ergießen sich die Stoffe für meine Romane wie ein Gewitterregen.“ Vom Schreibtisch aus blickt er hoch über den Bosporus hinüber auf die nichteuropäische Seite – nach Anatolien, wo ein völlig anderes, gegensätzliches Leben abläuft.

Orhan Pamuk liebt die Gegensätze, das Wechselspiel der Kulturen und Traditionen: „Was die Literatur heute in erster Linie erzählen und erforschen sollte, das ist der Menschheit grundsätzliches Problem, nämlich Minderwertigkeitsgefühle, die Furcht ausgeschlossen und unbedeutend zu sein, verletzter Nationalstolz, Empfindlichkeiten, verschie-denste Arten von Groll und grundsätzlichem Argwohn, nicht enden wollende Erniedrigungsphantasien und damit einhergehend nationalistische Prahlerei und Überheblichkeit.

In der außerwestlichen Welt, mit der ich mich ohne weiteres identifizieren kann, können wir immer wieder beobachten, dass die Empfindlichkeit von Menschenmassen und ganzen Völkerschaften sich in Befürchtungen niederschlägt, die geradezu an Dummheit grenzen.

In der westlichen Welt wiederum, mit der ich mich nicht weniger leicht identifiziere, führen Reichtum sowie der Stolz darauf, an der Wiege von Renaissance, Aufklärung und Moderne gestanden zu haben, bisweilen dazu, dass man sich mit ähnlicher Einfalt viel zu viel auf sich einbildet.“

In seinem neuen Buch Istanbul (im eurocity, Ausgabe 1/07 auf Seite 20 lesen Sie sein Essay Unter den Augen des Westens) erinnert er sich an die Stadt seiner Kindheit, verfolgt die Spuren des Verfalls, des Verlustes, lässt stets die Hoffnung namens Europa aufkommen.

Eine Hoffnung, die sich für ihn, für die Menschen diesseits und jenseits des Bosporus, eines Tages erfüllen wird. Wenn Europa sich endlich bewusst wird, dass auch hier in Anatolien noch immer zahlreiche Spuren von europäischer Geschichte zeugen.
Georg Karp, Chefredakteur eurocity



60 Jahre Wien: 1945–2005. Geschichte & Geschichten
von Dr. Manfred Lang. Herausgeber Dr. Michael Ludwig und Ing. Fritz Hofmann
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