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Reisen ohne Barrieren


Von einer barrierefreien Tourismuskette ­ von der Buchungsinformation über die Anreise bis zum Aufenthalt ­ profitieren alle Reisenden, nicht nur behinderte und in ihrer Mobilität eingeschränkte Personen.


Experten sind sich längst darüber einig, dass der Barrierefreie Tourismus weltweit einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor darstellt. Das belegen nicht nur Untersuchungen und Studien, sondern auch die Erfahrungen von Praktikern, die bereits mit der Umsetzung barrierefreier Tourismusangebote erfolgreich sind. Die Nachfrage ist wesentlich größer als das Angebot. Ein enormes Kundenpotenzial wartet darauf, genutzt zu werden.


Die Zahlen, die bei der am 26. April 2007 in Salzburg von der Infoplattform Barrierefreier Tourismus veranstalteten Fachtagung "Barrierefreier Kurzzeit-, Tages- und Städtetourismus" präsentiert wurden, sprechen eine deutliche Sprache.


Peter Neumann von der Universität Münster hat 2004 für das deutsche Wirtschaftsministerium eine Studie über die ökonomischen Impulse eines Barrierefreien Tourismus für Alle erstellt, die eindrucksvoll die Bedeutung dieses neuen Trends belegt: Alleine in Deutschland wird aus Reisen von Menschen mit Mobilitäts- oder Aktivitätseinschränkungen derzeit ein jährlicher Nettoumsatz von rund 2,5 Milliarden Euro bei mindestens 65.000 Vollzeitarbeitsplätzen lukriert. Eine Verbesserung des barrierefreien Angebotes im Tourismus würde weitere volkswirtschaftliche Impulse von bis zu 5 Milliarden Euro liefern und rund 90.000 zusätzliche Arbeitsplätze schaffen.


Der wirtschaftliche Nutzen eines Barrierefreien Tourismuskonzeptes wird durch aktuelle demografische Entwicklungen untermauert: Die Bevölkerung nimmt ab, während die Gruppe 60plus stetig wächst: In Österreich wird sich der Anteil der Generation 60plus an der Bevölkerung bis 2050 auf 36 Prozent erhöhen, im Jahr 2005 lag er noch bei 22 Prozent.


"Damit steigt auch der Anteil der Menschen mit einer
Mobilitäts- oder Aktivitätseinschränkung. Mit der zunehmenden Überalterung der Gesellschaft wird die Nachfrage nach barrierefreien Produkten und Dienstleistungen sukzessive steigen. Schon jetzt ist Barrierefreiheit für ca. 10 Prozent der Bevölkerung unentbehrlich, für 30 bis 40 Prozent notwendig und für 100 Prozent also für alle von uns komfortabel und damit ein Qualitätsmerkmal", erläutert der international anerkannte Experte. "Investitionen in Barrierefreiheit sind Investitionen in die Zukunft. Sie müssen selbstverständlich werden", ist Neumann überzeugt.


Deutlich wurde bei der Fachtagung auch, dass mobilitätsbeeinträchtigte Menschen häufig dieselben Reiseziele anpeilen wie nicht beeinträchtigte. Abhängig vom Grad ihrer Behinderung haben sie ganz unterschiedliche Bedürfnisse, den "Durchschnittstouristen" gibt es in dieser Zielgruppe nicht. "Die Herstellung von Barrierefreiheit kostet Geld und das zahlt der Gast"meint die Behindertenaktivistin Cornelia Götzinger. "Vielleicht sollte man sich in Österreich von den Sozialtarifen für Behinderte verabschieden. Behindert ist nicht immer gleich finanzschwach"stellt sie klar und ist bereit, für adäquate Angebote entsprechende Preise zu bezahlen.


Was sich hingegen niemand wünscht von Seiten der Anbieter und Nutzer touristischer Einrichtungen, ist eine Ghettoisierung behinderter Menschen in speziellen Urlaubsanlagen. Positiv angenommen werden hingegen integrative Angebote. Die Erfahrung zeigt, dass sie von nicht beeinträchtigten Urlaubern genauso gerne genutzt werden wie von Gästen mit speziellen Bedürfnissen.


Konsequenter Qualitätstourismus sollte jeden Menschen in der Lage versetzen, an jeden gewünschten Ort zu verreisen, unabhängig von Alter oder Behinderung. Barrierefreiheit bedeutet Zugänglichkeit und Benutzbarkeit von Gebäuden, Dienstleistungen und Informationen für ALLE, egal ob es sich um RollstuhlfahrerInnen, Eltern mit Kleinkindern, schwangere Frauen oder Personen nicht deutscher Muttersprache handelt, ob es blinde, gehörlose, psychisch beeinträchtigte, chronisch kranke oder alte Menschen sind.


Nach EU-Schätzungen gibt es rund 46 Mio. Menschen mit Behinderungen, von denen etwa 70 Prozent physisch und psychisch in der Lage wären zu verreisen. Aber nur 1,5 Prozent der Gastronomiebetriebe, 6,5 Prozent,der Unterkünfte und 11,3 Prozent der Sehenswürdigkeiten im EU-Raum sind zumindest für RollstuhlfahrerInnen zugänglich. Die Hälfte aller behinderter Menschen würde häufiger verreisen, wenn es mehr barrierefreie Angebote für sie gibt und wäre auch bereit, mehr zu bezahlen, wenn die Qualität stimmt. Diese Zielgruppe wünscht sich verstärkt Erholungs- und Gesundheitsurlaube, besonders beliebt sind Kulturreisen. Bei den Kurzurlauben werden vor allem die Städtereisen bevorzugt.